Ergänzungspflegschaft in Strafsachen

Die Ergänzungspflegschaft in Strafsachen kommt zum Tragen, wenn das unter elterlicher Sorge stehende Kind oder der Jugendliche Opfer einer Straftat wird, die durch einen der Elternteile an ihm verübt wurde. Dies gilt für Fälle, in denen entweder der sorgeberechtigte Elternteil der Täter oder die Täterin ist, oder in denen den Eltern die elterliche Sorge zur gemeinsamen Ausübung zusteht. Im zuletzt genannten Fall könnten die Eltern das Kind auch hinsichtlich der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nur gemeinsam vertreten. Dies würde dazu führen, dass der Elternteil, der die Straftat begangen hat, mit darüber entscheiden könnte, ob seinem Kind aufgrund seiner Tat durch die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens (und ggf. Strafverfahrens) gegen sich Gerechtigkeit widerfährt. Da es illusorisch ist, dass dieser in die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen sich selbst einwilligen würde, muss ein unbeteiligter Dritter zum Schutz des Kindes entscheiden.

Das Familiengericht entzieht den Eltern auf Antrag der Staatsanwaltschaft und auf Grundlage von § 1629 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 1789 Abs. 2 Satz 3 und 4 BGB die Vertretung des Kindes in der  Frage, ob dieses von seinem gesetzlich geregelten Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen soll oder nicht und überträgt die Entscheidung auf einen Ergänzungspfleger oder -pflegerin. Zusätzlich wird mitunter auch die Vertretung im Strafverfahren mitübertragen. Dies hängt entscheidend von dem jeweils zuständigen Staatsanwalt oder der Staatsanwältin oder, in einigen Fällen, auch von der vorher ermittelnden Kriminalpolizei ab.

Die Entziehung wirkt sich, soweit nicht anders geregelt, ausschließlich auf die Frage der Entscheidung über das Zeugnisverweigungsrecht oder der Vertretung im Strafverfahren gegen den jeweils zum Täter oder Täterin gewordenen Elternteil aus. Im Übrigen bleibt die elterliche Sorge der Eltern bestehen.

Aufgabe des:der Ergänzungspflegers/-pflegerin ist es sodann, sich mit dem Kind zu treffen, mit ihm zu sprechen und eine Einschätzung dazu zu gewinnen, ob es dem Kind zumutbar ist, gegen einen oder beide Elternteile auszusagen. Bei einer bereits eingetretenen Traumatisierung oder bei kognitiven Einschränkungen und daraufhin einer mangelnden Einsicht in die Folgen einer Aussage kann es ratsam sein, die Entscheidung für die Zeugnisverweigung zu treffen. Dies führt nicht zur Einstellung des Verfahrens; die Staatsanwaltschaft ist lediglich gezwungen, sich anderer Zeugen und Beweise zu bedienen, was in bestimmten Fällen schwer oder gar unmöglich ist.

Für die Ergänzungspfleschaft in Strafsachen gilt, wie in den Pflegschaften für andere Sorgerechtsteile, die Regelung des § 1809 BGB.